Der Samstag-Kampf startete mit einem schnellen Remis bei Jahnel-Schöneberg. Günther hatte zu viel Zeit in die Eröffnung gesteckt und ein tragfähiger Plan gegen den Königsinder des Gegners war weit und breit nicht in Sicht. Vardan Hovsepyan steuerte dann bereits den ersten vollen Punkt für ASP bei. In einer komplexen – etwas irregulär anmutenden Holländisch-Position hatte er den besseren Durchblick als sein Gegner, gewann erst einen Bauern. Den gegnerischen unrochierten König als weitere Schwäche ausgemacht, wurde dem Weißen alsbald der Zahn gezogen. Jiri Lechtynsky hatte das Wolga-Gambit seines Gegners thematisch beantwortet, aber so richtige Freude wollte sich bei der Stellung nicht einstellen. Jiri spielte auf matt und gewann eine Figur. Der Gegner hatte jedoch genug Zeit, auf der zweiten Reihe die Türme zu verdoppeln und per Dauerschach die Reißleine zu ziehen. Remis zum 2:1 für ASP. Klaus-Dieter Kesik im Carlsen-Style mit Trompowski unterwegs. Ähnlich wie der Weltmeister aber ohne Eröffnungsvorteil im Mittelspiel gelandet. Im Bemühen, die Stellung zu verkomplizieren, ging ein Bauer am Damenflügel flöten, dem ersten Anschein nach ohne jegliche Kompensation. Klaus-Dieters Gegner aber mit zu viel Respekt vor dem „großen Namen“ bot einfach Remis, was natürlich prompt akzeptiert wurde. Etwa zeitgleich folgte der zweite volle Punkt für ASP durch Milan Orsag, der in einer komplexen Sizilianisch-Position mit beiderseits unrochiertem König taktisch besser unterwegs war als sein Gegner. Zwischenstand 3½:1½ für ASP und die Bretter 6-8 mussten die Entscheidung bringen. Robert Böhm hatte mit Weiß nichts aus der Eröffnung herausgeholt und im Mittelspiel wurde es nicht viel besser. Der Gegner verschmähte eine Abwicklung, bei der er die Dame für Turm und Läufer bekommt. Stattdessen ein Schwerfiguren-Mittelspiel, bei dem Robert in gegnerischer Zeitnot ein Remisangebot mit dem richtigen Timing einstreute und zum 4:2 für ASP erhöhte. Bei Roland Graf hatte sich inzwischen die Stellung verdunkelt. In einer französischen Nebenvariante hatte er sich den eigenen Läufer auf b7 eingemauert, vor allem aber viel zu viel Zeit verbraucht. Ab dem 20. Zug in hochgradiger Zeitnot ging danach natürlich – so wie meist – etwas schief und es verblieb ein hoffnungsloses Endspiel, was Michael Limpert sicher verwertete. Anschlusstreffer zum 4:3. Bei Sibylle Heyme war dann Zittern angesagt. Komplexe Königsindisch-Position. Der Gegner warf alle Truppen an den Damenflügel und gewann im Laufe des Mittelspiels zwei Bauern. Sibylle startete im Zentrum den Gegenschlag. Gerade rechtzeitig waren genug Mattdrohungen aufgebaut, um den Gegner zu zwingen, Dauerschach geben zu müssen. Hoyerswerda gewann somit knapp und etwas glücklich mit 4½:3½. Pflichtaufgabe erfüllt. Im parallelen Duell der Schwergewichte setzte sich Dresden ebenfalls knapp mit 4½:3½ durch. Einige Begegnungen gingen sehr lange, was hoyerswerdaerseits die Hoffnung auf ausgelaugte Leipziger nährte.
Am Sonntag stand der Kampf gegen Leipzig I an, nominell Aufstiegsaspirant Nr. 1. Mit dem Pflichtsieg im Rücken hatte ASP natürlich nichts zu verlieren. De facto war die Sache keineswegs so klar. Bis auf die Bretter 7 und 8 waren alle Bretter weitgehend ausgeglichen besetzt. Slawisch-Abtauschvariante an Brett 1, Remisangebot ausgangs der Eröffnung, Jiri Lechtynsky mit sicherem, aber ereignislosem Schwarzremis. An den restlichen 7 Brettern wurde länger gekämpft. Das zweite Ergebnis folgte an Brett 4 mit dem Remis von Vardan Hovsepyan. Trotz entgegengesetzter Rochaden eher eine Positionspartie, in der einzigen offenen Linie wurde alle Schwerfiguren getauscht und wenig später Remis verabredet. Eine ruhige Positionspartie auch an Brett 7, Geschlossener Sizilianer mit thematischem Aufbau. Robert Böhm öffnete das Zentrum statt am Damenflügel zu spielen. In der Folge viele Abtausche und ohne größere Kapriolen Remis kurz vor der Zeitkontrolle. Kurz darauf ging Leipzig in Führung. Sibylle Heyme hatte früh in einer symmetrischen Position die Damen getauscht. In der Folge spielte Hendrik Hoffmann aber deutlich präziser. In Zeitnot wurde ein Mattnetz gesponnen, aus dem es für Sibylle kein Entrinnen mehr gab. Nach der ersten Zeitkontrolle führte Leipzig damit mit 2½:1½, was aber nicht so schlimm war, denn sämtlichen laufenden Partien sahen mehr oder minder vielversprechend für ASP aus. Den Ausgleich zum 2½:2½ stellte Roland Graf her. Ausgangs der Eröffnung leicht schlechter oder zumindest anrüchig stehend, konnte Roland im Mittelspiel die Stellung konsolidieren und bot Remis. Der Leipziger Jugendspieler wurde vom Kapitän am Nachbarbrett zum Weiterspielen verdonnert, verlor in Zeitnot einen Bauern und landete in einem Turmendspiel mit reduziertem Material. Roland Graf gab den Bauern zurück und gewann das resultierende Bauernendspiel lehrbuchhaft. Klaus-Dieter Kesik’s Stellung sah schon frühzeitig sehr vielversprechend aus. In einer seiner Königsindischen Leib- und Magenstellungen wurde der Gegner auskombiniert und es entstand ein Endspiel mit Läuferpaar gegen Turm, was leicht gewonnen aussah, aber wohl doch etwas komplizierter war. Klaus-Dieter geriet noch kurz ins Schwimmen, die Stellung war aber gut genug für den vollen Punkt. ASP ging damit 3½:2½ in Führung und ein Mannschaftspunkt war schon sicher, denn Milan Orsag hatte eine Stellung, die man nicht verlieren konnte. Die parallele Stellung von Günther Jahnel war sehr undurchsichtig und mit beiderseitigen Chancen. Milan hatte ausgangs der Eröffnung im Königsinder vermeintlich großen Vorteil, aber die Stellung war sehr scharf. Im Zeitnot-Handgemenge entstand eine Stellung, in der Milan die Dame für Turm, Läufer und Bauer hatte. In der Stellung des Gegners war aber alles gedeckt, so dass trotz langer Versuche kein Fortschritt zu machen war. Remis durch Stellungswiederholung nach etwa 60 Zügen zur 4:3 Führung für ASP. Big Drama am Ende in der verbleibenden Partie. Günther Jahnel hatte nach der Zeitkontrolle so gut wie alles richtig gemacht und den Gegner peu a peu überspielt, allerdings dabei viel Zeit in die Stellung gesteckt. Zum Schluss mit zwei Mehrbauern war „nur noch“ saubere Technik zu zeigen. Günther stellte eine vermeintlich nicht zu parierende zweizügige Mattdrohung auf, übersah jedoch, dass der Gegner mit Damenopfer und anschließendem Damenrückgewinn per Springergabel den Spieß umdrehen konnte. Thomas Schubert jedoch gab stattdessen einfach auf und gab zu Protokoll, er hätte Günther zum Schluss „alles geglaubt“. Mit Schrecken am Ende also der überraschende wie verdiente 5:3 Sieg nach einer bärenstarken ASP-Leistung.
Die Tabellensituation hat sich für Hoyerswerda damit komplett gewandelt. Mit komfortablen 4:2 Mannschaftspunkten und zwei schweren Gegnern weg können die nächsten Runden entspannt angegangen werden.
Robert Böhm